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GewaltschutzAktuelles

04. Juni 2024

Eröffnung Kompetenzzentrum Gewaltschutz und Gewaltschutzambulanz

Häusliche Gewalt ist für das Gesundheitssystem und damit auch für die Krankenanstalten ein hochrelevantes Thema. Es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die belegen, dass widerfahrene Gewalt weitreichende Konsequenzen für die Gesundheit der Betroffenen hat und zwar weit über die akuten Verletzungen hinaus. So konnte neben gynäkologischen Erkrankungen auch eine Steigerung der Fälle von Herz-Kreislauf und Magen-Darm-Erkrankungen sowie Atembeschwerden festgestellt werden.

 

Eine Vorreiterrolle in Österreich

„Ein verantwortungsvoller, sensibler und professioneller Umgang mit Gewaltbetroffenen ist in unserer Gesellschaft ein Muss. Gerade beim Thema Opferschutz stellen Gesundheitseinrichtungen eine der zentralen Anlaufstellen für betroffene Menschen dar. Die Früherkennung gewaltbetroffener Personen ist nicht nur Teil des gesetzlichen Auftrages an Opferschutz- und Kinderschutzgruppen im Krankenhaus, sondern auch eine wesentliche Aufgabe in der akuten Versorgung von Betroffenen und in der Prävention. Es freut mich deshalb und es macht mich stolz, dass die tirol kliniken und die Innsbrucker Klinik im Besonderen hier seit Jahren österreichweit eine Vorreiterrolle einnehmen. So auch jetzt, bei der Eröffnung des ersten Kompetenzzentrums Gewaltschutz und der ersten dazugehörigen Gewaltschutzambulanz in Österreich“, betont Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele im Rahmen der Eröffnung, „auch wenn die finanziellen Mittel, die der Bund dafür vorgesehen hat bisher in andere Bundesländer fließen, hindert uns das in Tirol nicht daran, trotzdem Nägel mit Köpfen zu machen.“

Frauenlandesrätin Eva Pawlata führt weiter aus: „Ein niederschwelliges Netzwerk, das nicht nur die medizinische Versorgung sicherstellt, sondern den Betroffenen psychosoziale Unterstützung zukommen lässt und auch die Sicherstellung von Beweisen ermöglicht, ist eine langjährige Forderung aus der Praxis. Durch die Umsetzung dieses umfassenden Konzepts auf Grundlage der jahrelangen Erfahrungen aus der Arbeit der Opfer- und Kinderschutzgruppe und dem Projekt ‚Dr. Viola‘ kommen wir beim Opferschutz einen entscheidenden Schritt weiter. Essentieller Bestandteil ist die Vernetzung innerhalb der gesamten Organisation der Tirol Kliniken. Umso mehr freut es mich, dass dieses Verständnis nunmehr fest verankert wird.“

Trotzdem nur ein weiterer Zwischenschritt

Für Kapelari und Beck ist das neue Kompetenzzentrum nur ein weiterer logischer Schritt. „Im Grunde fassen wir Existierendes zusammen und bringen es in einen formellen Rahmen“, beschreibt es Thomas Beck, Psychologischer Leiter des neuen Kompetenzzentrums, „denn umfassender Gewaltschutz braucht das medizinische und pflegerische Wissen vieler Disziplinen und muss natürlich über den Akutbereich hinausgehen. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, können wir Betroffene frühzeitig erkennen und ihnen schnell die richtige Hilfe zukommen lassen. Diese Früherkennung ist notwendig, um einen Ausstieg aus der Gewaltspirale möglich zu machen. Vielen Betroffenen ist der Zusammenhang zwischen körperlichen Symptomen und der Gewalterfahrung selbst nämlich gar nicht bewusst. Wichtig ist dabei auch die Kooperation mit der Gerichtsmedizin, wie sie in Innsbruck schon seit vielen Jahren existiert.“

Klaus Kapelari, der Ärztlicher Leiter, betont, dass vor allem die Niederschwelligkeit des Angebots ein sehr wichtiger Faktor ist: „Mit unserer Erfolgsgeschichte Dr. Viola konnten wir zeigen, wie extrem wichtig es ist, Betroffenen einfache und sensible Hilfsangebote zu machen. Die Hemmungen, Hilfe zu suchen und um Hilfe zu bitten sind für Gewaltopfer sowieso schon scheinbar unbezwingbar. Deswegen arbeiten wir stetig daran die Hilfe zu den Betroffenen zu bringen, egal auf welcher Station oder Ambulanz der erste Kontakt erfolgt. Am Beispiel Kinder wird außerdem deutlich, wie wichtig eine vernetzte und umfassende Betreuung ist. Kinder müssen gar nicht selbst Opfer von Gewalt sein. Es reicht auch schon Zeuge von familiärer Gewalt zu sein, um massive und bleibende Schäden davon zu tragen“

Marion Pavlic von der Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck:
„Wir sind als Institut der Medizinischen Universität Innsbruck ja schon seit vielen Jahren in die Arbeit des Opfer- und Kinderschutzes eingebunden. Die tirol kliniken nehmen hier mit Sicherheit eine österreichweite Vorreiterrolle ein, in der wir zeigen, wie die Zusammenarbeit zum Wohle der Opfer unter bestmöglicher Nutzung der vorhandenen Ressourcen funktionieren kann. Die Kernkompetenzen der Gerichtsmedizin umfassen die Einschätzung von körperlichen Verletzungen und deren gerichtsverwertbare Dokumentation ebenso wie Spurensicherung, DNA-Analysen und toxikologische Untersuchungen. Diese Expertise stellen wir unabhängig von einer polizeilichen Anzeige zur Verfügung. Insgesamt heißt erfolgreicher Opferschutz fächerübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wie wir sie in Innsbruck leben.“

Abgeschlossen sind die Bemühungen der Innsbrucker Klinik in Sachen Gewaltschutz mit der heutigen Eröffnung aber natürlich nicht. Ende März startet bereits das nächste österreichweit einzigartige Projekt: Die Ausbildung von Gewaltschutzbeauftragten als Mulitplikator:innen in allen Bereichen der Klinik. Andrea Hohenegger, stv. Leiterin der Opferschutzgruppe der Innsbrucker Klinik: „Betroffene können im Grund in allen Bereichen der Klinik auftauchen. Wir starten deshalb ein Schulungsprogramm, wo in jedem Bereich, egal ob Station oder Ambulanz Gewaltschutzbeauftragte ausgebildet werden, die als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren fungieren und ihren Kolleginnen und Kollegen den richtigen Umgang mit Gewaltbetroffenen weitergeben.“

 

Wo suchen von Gewalt betroffene Frauen Hilfe?
Gesundheitswesen 20%
Polizei 16,9%
Einschlägige Beratungseinrichtungen 12,5%

 

Von wie vielen Betroffenen an der Klinik Innsbruck reden wir?
26,5% sind von häuslicher Gewalt betroffen (70,4% Frauen, 29,6% Männer)
48,1% sind von akuter häuslicher Gewalt betroffen

 

Wie oft wurde der Notruf Dr. Viola bisher genutzt?
Ca. 70 Mal (davon 9 Mal als „Notruf“ und 61 Mal in der Behandlungssituation als niederschwellige Möglichkeit)

 

Innsbruck, 13. März 2024

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