26. März 2025
HOCH3: Im Gespräch mit Eleonora Genelin
Im Gespräch
Text: Teresa Lackner-Pöschl | Foto: Gerhard Berger
Im letzten Jahr wurden 50 Personen im Kompetenzzentrum für Gewaltschutz und Gewaltschutzambulanz der tirol kliniken zu Gewaltschutzbeauftragten ausgebildet. Eine von ihnen ist Eleonora Genelin, Oberärztin an der Neurologie in Hochzirl.
Die Idee zu dieser Ausbildung entwickelte die Innsbrucker Opferschutzgruppe, mit dabei Andrea Hohenegger. Sie engagiert sich seit 2011 im Gewaltschutz und gibt ihr Wissen dazu und ihre Erfahrung als Pflegerin in der Notfall-Ambulanz im Kurs weiter. Im Gespräch mit der HOCH³ erzählen beide Frauen von ihrer Tätigkeit, und warum Gewaltschutz ein breites Netzwerk braucht.
Die gewaltschutzbeauftragen Personen sind Multiplikatoren, was bedeutet das?
Hohenegger: Die Ausbildung soll Mitarbeiter:innen im Krankenhaus für das Thema Gewalt sensibilisieren. Schulungen und Workshops haben nur eine gewisse Reichweite. Die Idee der Gewaltschutzbeauftragten ist es, Ansprechpersonen in den Teams vor Ort zu haben, Gewaltschutz im Rahmen von Dienstbesprechungen etc. zu thematisieren und das Thema so zu „multiplizieren“. Als Expert:innen sind diese geschulten Personen in ihrem Arbeitsbereich erste Anlaufstelle bei Fragen und Unsicherheiten und gleichzeitig Schnittstelle zum Kompetenzzentrum, das als Koordinationsstelle zwischen allen Netzwerkpartner agiert.
Genelin: Ich bin Gewaltschutzbeauftragte im Krankenhaus Hochzirl. Gleich nach der Ausbildung habe ich zwei Vorträge zum Thema gehalten und meine Funktion erklärt. Das hat einen Effekt – ich bin mehrmals kontaktiert worden, um konkrete Verdachtsmomente zu diskutieren. Man merkt, dass sich das Bewusstsein für das Thema verändert. Wir haben als Gewaltschutzbeauftragte auch zweimal im Jahr ein Austauschtreffen, koordiniert vom Kompetenzzentrum.
Welche Rolle spielt Gewaltschutz im Krankenhaus, welche Rolle hat hier das Gesundheitspersonal?
Hohenegger: Es geht darum, wie Gewaltbetroffene im Krankenhaus Hilfe bekommen. Und da spreche ich jetzt weniger von der Behandlung konkreter Verletzungen, sondern dass wir aufmerksam für Anzeichen sind, dass wir ins Gespräch kommen. Im ersten Schritt geht es darum zu vermitteln, dass das Krankenhaus ein Ort ist, wo man Hilfe bekommt.
Genelin: Laut Statistik Austria suchen 20 Prozent der Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, den Erstkontakt für eine Hilfestellung bei Menschen in Gesundheitsberufen. Die Awareness für Gewalt spielt also in unseren Berufen eine sehr große Rolle.
Wie schauen solche Anzeichen aus?
Genelin: Wir sprechen hier von so genannten „red flags“, das sind Verletzungen, die schwer erklärbar sind oder erst spät behandelt werden, chronische Beschwerden, überbehütende Partner, häufige Fehlgeburten oder Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung aber auch ein unbegründetes aggressives oder schnippisches Verhalten können Anzeichen für Gewalterfahrungen sein.
Und wie gehen Sie auf Betroffene zu?
Hohenegger: In der Ausbildung vermitteln wir, wie man dann mit dem Gewalt-Verdacht umgehen kann: Betroffene in einem 4-Augen-Gespräch darauf ansprechen und darlegen, welche Hilfsangebote es gibt. Manchen kann man mit einer psychologischen Beratung helfen, andere brauchen einen Frauenhausplatz oder einfach eine Rechtsberatung. Das Kompetenzzentrum ist eine wichtige Schnittstelle zu allen involvierten Institutionen.
Und wenn Betroffene gar keine Hilfe wollen?
Hohenegger: Klar, es kann frustrierend sein, wenn eine Patientin immer wieder kommt. Aber im wiederkehrenden Kontakt kann sich Vertrauen aufbauen. Ein zentraler Punkt im Gewaltschutz ist das Verständnis für Gewaltopfer und um das Hintergrundwissen, wie Gewaltstrukturen funktionieren. Wir üben jedenfalls keinen Druck aus, bei erwachsenen Gewaltopfern braucht es auch in den meisten Fällen die Zustimmung für eine Anzeige oder Intervention.
Genelin: In der Ausbildung zur Gewaltschutzbeauftragten erzählt eine betroffene Frau von ihren Erfahrungen und wie schwer Veränderungen sind. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich erinnere mich auch oft an eine Patientin aus meiner Turnuszeit. Ich hatte eine starke Vermutung hatte, dass sie geschlagen wurde, meine Nachfragen dazu hat sie aber immer verneint. Ich muss oft an diese Patientin denken, denn heute würde ich sie weniger bedrängen, eine Gewalterfahrung zuzugeben, sondern ihr stärker vermitteln, dass sie im Krankenhaus jederzeit Hilfe bekommt – auch ohne akute Verletzung.
Was soll dieses Netzwerk der Gewaltschutzbeauftragten langfristig bewirken?
Hohenegger: Gewalt früher erkennen und auch ganz klar benennen. Das Gefühl, dass bei einem Unfallhergang etwas nicht stimmen kann, kennen vermutlich viele in Gesundheitsberufen. Die Ausbildung gibt konkrete Tools und Handlungsanleitungen mit, wie man reagieren und auch agieren kann.
Genelin: Es geht um ein Bewusstsein für das Thema und die entsprechenden Strukturen zur Prävention. Für mich steht auch die Teamarbeit im Fokus: gerade die Kolleginnen und Kollegen aus Pflege und Therapie-Berufen sind oft viel enger im Kontakt mit Patientinnen und Patienten. Mit der Funktion der Gewaltschutzbeauftragten gibt es für alle eine konkrete Anlaufstelle, um sich gut abzustimmen und auszutauschen.
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